© Andreas Gebert

Tempo, Mut, Zuversicht - BIHK-Vollversammlung am 7. Mai 2020

Austausch zum aktuellen Stand der Coronalage - das war sachlich formuliert, aber noch nie hatte eine BIHK-Vollversammlung ein so brisantes Thema auf der Agenda.

BIHK-Vollversammlung diskutiert mit Staatsminister Aiwanger Schicksalsfrage: Wie schnell kommt Bayerns Wirtschaft aus der Krise?

Austausch zum aktuellen Stand der Coronalage - das war sachlich formuliert, aber noch nie hatte eine BIHK-Vollversammlung ein so brisantes Thema auf der Agenda. Die Präsidenten und Hauptgeschäftsführer der neun bayerischen IHKs diskutierten am 7. Mai in einer hybriden Sitzung über die Schicksalsfrage - die Strategie, mit der Bayerns Wirtschaft schnell aus der Krise kommt.

Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger hatte seine Teilnahme fest zugesagt, womit er die Bedeutung des guten Teamworks von Staatsregierung und IHKs unterstrich. Die Veranstaltung war zugleich Ausdruck dessen, was ihre Teilnehmer forderten: die Rückkehr zur Normalität.

Verlust von 1 Milliarde am Tag

Aiwanger rechnete vor, wie dringlich das ist. Jeder weitere Tag des Stillstands koste die bayerische Wirtschaft eine Milliarde Euro. Jeder zusätzliche Tag des Lockdowns mache es schwieriger, die Wirtschaft und Lieferketten wieder hochzufahren. „Aus zwei Millionen Menschen in Kurzarbeit in Bayern dürfen keine Arbeitslosen werden“, erklärte Aiwanger.

BIHK-Präsident Eberhard Sasse sagte, das wichtigste Ziel laute, der deutsche Mittelstand und seine Familienunternehmen müssen in ihrer Vielfalt erhalten bleiben. Dafür sei jedes Mittel und jede Hilfe recht. „Wir müssen improvisieren, flexibel sein. Da müssen wir jetzt einfach durch“, betonte Sasse.

Schlüsselbranchen mit Vorerkrankung

In der Analyse waren sich Aiwanger mit den IHK-Spitzen einig. Demnach hat die Coronakrise Bayerns Wirtschaft auch deshalb schwer getroffen, weil Schlüsselbranchen unter Vorerkrankungen litten. Der Handelskonflikt zwischen USA und China hatte Bayerns Maschinenbau und Autoindustrie schon vor Corona ins Trudeln gebracht.

Derzeit, berichtete Friedrich Herdan, Präsident der IHK zu Coburg, befinde sich die Industrie in seiner Region im freien Fall. Er nannte alarmierende Zahlen. 40 Prozent der Mitarbeiter seien in Kurzarbeit, 38 Prozent der Firmen wollten Personal entlassen. Laut einer Umfrage der IHK Würzburg-Schweinfurt droht dort fast jedem zweiten Unternehmen die Insolvenz.

Jürgen Helmes, Hauptgeschäftsführer der IHK Regensburg für Oberpfalz/Kelheim, sagte, die Coronakrise habe chronische Schwächen des Standorts bloß gelegt. „Homeschooling und Home-Office funktionieren eben nur dann flächendeckend, wenn die Breitband-Versorgung das auch hergibt“, stellte Helmes fest.

Eindruck staatlicher Willkür

Friedbert Eder, Präsident der IHK Aschaffenburg, klagte, „der Flickenteppich“ der Corona-Regeln sorge für Verwirrung. Wenn bayerische Baumärkte geschlossen, wenige Kilometer weiter in Hessen aber Baumärkte geöffnet seien, entstehe der Eindruck staatlicher Willkür. Das sei betroffenen Unternehmen schwer zu vermitteln.

Aiwanger wertete auch die Lageberichte aus den IHKs grundsätzlich als Bestätigung der bayerischen Krisenstrategie, schnell sehr viel Geld für Hilfen bereit zu stellen. Das jüngste Beispiel sei der LfA-Schnellkredit, mit der Bayern eine Lücke der KfW-Rettungsschirme schließe: ein Kredit für Unternehmen bis zu zehn Mitarbeitern.

"Wir haben wenige Fehler gemacht"

„Wir haben wenige Fehler gemacht“, lautete das Fazit Aiwangers im Börsensaal. Die Präsidenten und Hauptgeschäftsführer sahen das ebenso. Lediglich Andreas Kopton Präsident der IHK Schwaben, kritisierte, die Staatsregierung habe mit ihren Ausgangsbeschränkungen auch gesunde Menschen in die Quarantäne gezwungen. „Nie wieder einen Lockdown!“, konstatierte Kopton.

Konsens bestand auch über eine weitere Kernaussage Aiwangers. „Wir müssen schnell zur Normalität zurück. Wegen mir hätten wir schon 14 Tage früher öffnen können“, sagte der Staatsminister. Ein bemerkenswerter Satz: Er wich damit von der Linie der Staatskanzlei ab.

In der IHK gab es dafür Zuspruch. BIHK-Präsident Sasse lobte Aiwangers Mut. Prof. Ralf Jahn, Hauptgeschäftsführer der IHK Würzburg-Schweinfurt, sagte: „Wir sollten nicht stolz darauf sein, in Deutschland die Letzten mit Lockerungen zu sein.“ Armin Zitzmann, Präsident der IHK Nürnberg für Mittelfranken, erklärte, wo in Deutschland wirklich Zuversicht herrsche: „In Düsseldorf waren am letzten Samstag die Läden wieder voll. In Nürnberg sahen wir bis dato nur wenige Kunden in den Geschäften“.

Aiwanger will Auto-Kaufprämien

Auf das Tempo drückt Aiwanger auch beim Thema Auto-Kaufprämien. Die Autobauer und die Autoländer Bayern, Niedersachsen und Baden-Württemberg drängen darauf. Die Bundesregierung hat die Entscheidung bis Juni vertagt. Etwas, womit sich Aiwanger mit Hinweis auf 350.000 Kurzarbeiter in der bayerischen Autoindustrie nicht abfinden will.

Spätestens Mitte Mai müsse in Berlin eine Entscheidung getroffen werden. Ein Nein sei besser, als weiter für Unsicherheit zu sorgen. Passaus IHK-Präsident Thomas Leebmann unterstrich das. Leebmann sagte, nicht jedem sei die Bedeutung der Autoindustrie klar. Allein die deutschen BWM-Autohäuser stünden für 20.000 Jobs.

Ralf Jahn kritisierte „Finanzhilfen mit der Gießkanne“. Es sei falsch, Hilfen nur für einzelne Branchen zu beschließen. Sinnvoll seien hingegen Maßnahmen, die allen Unternehmen helfen würden, etwa über steuerliche Erleichterungen. Jahn schlug vor, die degressive Afa wieder einzuführen und die Abschreibung geringwertiger Wirtschaftsgüter zu verbessern.

Einigkeit bestand dagegen über eine weitere Einschätzung Aiwangers: Es wird nicht leicht, Bayerns Wirtschaft wieder auf volle Touren zu bringen. Aiwanger nannte als Beispiel BMW. Es sei gut, dass da Mitte Mai die Produktion wieder anlaufe. Wenn zugleich aber die Nachfrage in China nicht anspringe, werde auf Halde produziert.

Andreas Kopton berichtete, Hotels, Wirtshäuser, Restaurants und Bergbahnen hätten für die Wirtschaft in Schwaben große Bedeutung. Bis Ende Mai sollen sie wieder öffnen. Die Auflagen müssten jetzt im Detail geregelt werden. Ansonsten sei kein sinnvoller Geschäftsbetrieb möglich. BIHK-Hauptgeschäftsführer Manfred Gößl erklärte, dies werde im Express-Verfahren geklärt. Die IHK sei in diesen Prozess involviert.

Neue Soforthilfe im Herbst

Die Unbekannte im „Bayernplan“ der Staatsregierung ist, wie schnell Konsum und Nachfrage wieder anspringen. Aiwanger kündigte in der IHK deshalb schon vorab eine zweite Auflage der Soforthilfe für kommenden Herbst an. Er räumte ein, dass die Auszahlung der laufenden Soforthilfe mit Verzögerung verläuft. Anfang Mai war von fünf Milliarden Euro erst eine Milliarde ausgezahlt.

Aiwanger rechtfertigte sich mit dem Hinweis, dass trotz allem Einsatz der Mitarbeiter der Bezirksregierungen und der Stadt München eine Flut von 450.000 Anträgen nicht einfach zu bewältigen sei. Zudem seien die Anträge zum Teil fehlerhaft ausgefüllt, einige Unternehmer hätten mehrfach Anträge gestellt.

Das größte Manko laut Aiwanger und Gößl: Bayern hatte kein digitales Antragsverfahren für die Soforthilfe. Ein Unding für einen Hightech-Standort von Weltgeltung. Gleichwohl äußerte sich Aiwanger mit der Bilanz zufrieden. 200.000 Anträge genehmigt, 50.000 abgelehnt. Das sei allemal besser, als – wie in Berlin und Nordrhein-Westfalen geschehen – hunderte von Millionen an unberechtigte Empfänger auszuzahlen.

Beihilfen statt KfW-Kredite

Sonja Weigand, Präsidentin der IHK Bayreuth, und Friedrich Herdan forderten strukturelle Nachbesserungen der Rettungsschirme. Ihr Argument: Viele Unternehmen hätten schon Probleme, einen laufenden Kredit zu bedienen. Sie seien nicht in der Lage, einen zusätzlichen KfW-Kredit abzubezahlen.

„Statt Krediten brauchen unsere Firmen Beihilfen und Zuschüsse. Diesen Schritt müssen wir jetzt machen“, betonte Herdan. Aiwanger antwortete, auch ihm sei klar, dass viele Unternehmen die Kredite nicht bedienen könnten. „Da müssen wir eine Lösung finden“, kündigte der Minister an. Aiwanger kann sich auch einen Schuldenschnitt vorstellen. Allerdings geht es hier um Bundesmittel. Derzeit ist nicht sicher, ob man das in Berlin ebenfalls so sieht.

BIHK-Präsident Sasse verwies auf eine weitere Folge der Coronakrise: Nach derzeitigen Prognosen könnte die Zahl der neuen Ausbildungsverträge in diesem Jahr sinken. Sasse sagte, man müsse sich gegen diesen Trend stemmen. Er kritisierte Medienberichte, wonach Akademiker unter deutlich geringeren Job-Risiken litten.

Markus Lötzsch, Hauptgeschäftsführer der IHK Nürnberg für Mittelfranken, klagte, die Öffentlichkeit habe ein schiefes Bild. Es kursiere die Meinung, im Krisenjahr 2020 ruhe die Berufsbildung. Tatsächlich sei die Ausbildungsbereitschaft der Betriebe unverändert hoch. Seine IHK wolle daher eine neue Kampagne für die Ausbildung starten.

Fazit der Diskussion der virtuellen und im traditionsreichen IHK-Börsensaal präsenten Teilnehmer: Der Neustart der bayerischen Wirtschaft wird eine Herausforderung. Wichtig sei nun, mit Zuversicht in eine nachhaltige Zukunft zu blicken. Aiwanger machte in der IHK damit einen guten Anfang. „Wir haben die Lage im Griff“, versicherte der Minister.

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