Transformation und Bidding Zone Review: Wohin steuert der Energiebinnenmarkt?
Was sind die großen Herausforderungen im Strommarkt und wie geht es weiter beim Netzausbau? Worauf müssen sich die Unternehmen einstellen, wie kann die Industrie zukünftig noch wettbewerbsfähig bleiben? Diese und weitere Fragen zur Entwicklung der europäischen Energiemärkte wurden am 18. November 2024 mit hochrangigen Vertretern aus Politik, Industrie und der Energiewirtschaft intensiv diskutiert. Dabei wurde vor allem eines klar: eine mögliche Aufteilung der deutschen Stromgebotszone wäre mit enorm hohen Kosten und großen Unsicherheiten verbunden und stößt daher auf breite Ablehnung in der Wirtschaft.
Eindrucksvolle Impulse aus Politik und Wirtschaft
Nach einer kurzen Begrüßung durch Michael Hinterdobler, Leiter der Vertretung Bayerns in Brüssel, machte Staatssekretär im bayerischen Wirtschaftsministerium Tobias Gotthardt den Auftakt, mit einem deutlichen Statement gegen eine Fragmentierung des Strommarktes. Bayern kremple die Ärmel hoch, so Gotthardt, und arbeite mit dem Energieplan 2024 am modernsten und nachhaltigsten Energiesystem der Welt. Die fachlichen Impulsvorträge brachten der designierte Amprion-CEO Dr. Christoph Müller und Dr. Peter von Zumbusch, Werkleiter Burghausen der Wacker Chemie AG, ein. Dabei betonte Müller, der Untersuchungsrahmen bei der laufenden Gebotszonenüberprüfung sei seitens der europäischen Behörde ACER zu eng gesteckt und die Fortschritte beim Netzausbau nur unzureichend berücksichtigt. Zudem hätte die Energiewirtschaft bei der Umsetzung der Transformation genügend andere Aufgaben vor der Brust und es gäbe effizientere Ansätze, um die von den Befürwortern einer Gebotszonenteilung angestrebten Ziele zu erreichen. Dr. von Zumbusch ließ keinen Zweifel daran, dass die Industrie ohne bezahlbaren grünen Strom, robuste Infrastruktur und wettbewerbsfähige Preise in Europa keine Zukunft hat. Dabei seien alle betrachteten Gebotszonentrennungen problematisch. Die Industrie habe jedoch eine sehr hohe Relevanz für die Transformation.
Lebendige Diskussion im Podium und mit den Teilnehmenden
Die anschließende Diskussion im Podium und mit den Teilnehmern, moderiert durch Dr. Niclas Wenz, Leiter Strommarkt und erneuerbare Energien bei der DIHK, zeigte eine große Bandbreite von Aspekten, die im Zusammenhang mit den Strommarktgebieten betrachtet werden müssen. Laut Prof. Angelika Niebler, Abgeordnete im Europaparlament (EVP) müsse man bis mindestens 2030 und noch weiter nach vorne denken, der laufende Review greife mit dem Zieljahr 2025 daher noch viel zu kurz. Magister Jürgen Streitner, Abteilungsleiter bei der Wirtschaftskammer Österreich, berichtete von der 2017 erfolgten Trennung der österreichischen und deutschen Stromgebotszone, die für sein Land eine teure Erfahrung gewesen sei. Die Stadtwerke München, vertreten durch ihren Leiter Energiewirtschaft Hans Lerchl, haben europaweit mehrere Mrd. Euro in Erneuerbare Energien investiert und handeln daher in verschiedenen Märkten. In kleineren Gebotszonen, so Lerchl, sei die Absicherung des Energiehandels, das sogenannte Hedging, schwieriger, womit sich das Risiko für die Marktteilnehmer erhöhe. Daher sei eine möglichst große Liquidität wichtig. Energiewirtschaft und Industrie brauchen für ihre langfristigen Investitionen Planungshorizonte über Dekaden und keinen neunen Unsicherheiten.
Die deutsche Stromgebotszone muss erhalten bleiben
Der gemeinsame Energiemarkt mit dem Zielbild eines „Single Market“ ist ein wesentlicher Eckpfeiler der europäischen Union. Seine Stärke und Resilienz hat er zuletzt bei der Bewältigung der Energiekrise eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Die aufflammende Debatte über eine Fragmentierung des deutschen Strommarktes, als mögliche Folge des laufenden Bidding Zone Review, ist besonders für die bayerische Wirtschaft von hoher Relevanz. Eine solche Aufteilung würde die Beschaffungsmöglichkeiten der Industrie in Süddeutschland einschränken und dazu führen, dass die ohnehin schon sehr hohen Strompreise noch einmal empfindlich ansteigen. Der BIHK hat sich daher klar gegen eine Fragmentierung des deutschen Strommarktes positioniert.
Expertengespräch mit der Generaldirektion Energie
Am Folgetag waren die Veranstalter von der Europäischen Kommission zum persönlichen Austausch mit der zuständigen Fachabteilung in den DG Energie eingeladen. Dort wurden die Inhalte der Veranstaltung und insbesondere das gemeinsame Positionspapier der IHKs in Bayern, Baden-Württemberg, Saarland und Rheinland Pfalz, der Übertragungsnetzbetreiber Amprion und TransnetBW sowie des Wirtschaftsbeirat Bayern im Detail besprochen und vereinbart, bezüglich des weiteren Bidding Zone Prozesses im Austausch zu bleiben.
Große Resonanz in Brüssel
Mit rund 200 Teilnehmern aus der Brüsseler Politik und Verwaltung, sowie Verbands- und Unternehmensvertretern wurde die gemeinsame Veranstaltung von BIHK, EEN und WKÖ in der Vertretung Bayerns bei der EU in Brüssel gut besucht. Informationen aus erster Hand, von hochrangigen Vertretern aus der Wirtschaft, finden auf dem Brüsseler Parkett offensichtlich großes Interesse. Das Thema soll daher nach Vorliegen des Abschlussberichts zum Bidding Zone Review, 2025 erneut aufgegriffen werden.